Kultur und Recht

Ich setze mal dort an, wo ich letzte Woche aufgehört habe, nämlich bei der Crowd Wisdom, der kollektiven Intelligenz. Crowd Wisdom ist nur ein Teilbereich eines großen Konzepts, das sich Crowd Sourcing nennt. Es fasst viele Aspekte der Schwarmkollaboration zusammen und bezeichnet allgemein die Aufteilung einer Aufgabe an eine große Gruppe Freiwilliger. Mögliche Ausprägungen des Crowd Sourcing sind Crowd Funding – die Finanzierung einer Idee mit dem Geld vieler –, Crowd Creation – die gemeinschaftliche Erschaffung von Kunst – und eine Menge mehr, das meiste davon selbsterklärend: Crowd Voting, Crowd Testing, Crowd Performance (für die Sisyphusarbeiter unter uns) … Ich möchte an dieser Stelle das Crowd-Wisdom-Projekt foldit kurz vorstellen, da es mich im Seminar besonders fasziniert hat. foldit nutzt Intelligenz und Spieltrieb der Masse gleichermaßen, um die medizinische Forschung voranzubringen. Die Nutzer falten am Computer dreidimensionale Proteinmodelle und schaffen damit mehr Formen und Faltungen als es der biologischen Wissenschaft zeitlich und finanziell möglich wäre.1

Nur in einem Nebensatz gab ich bei „Wissen und Kollaborationen“ zu bedenken, dass der User Generated Content aber nur zum Teil Wissen darstellt. Jeder ist sich natürlich bewusst, dass der UGC größtenteils aus Sepiafotos von Mahlzeiten, Verschwörungstheorien und Katzenvideos besteht. Das Web 2.0 generiert und verbreitet nicht nur Wissen, sondern auch Werke, das heißt Kunst und Kultur. Die Nutzer des Web 2.0 produzieren, verbreiten und konsumieren Unmengen an Musik, Filmen, Literatur und Bildmaterial. Beste Beispiele dafür sind Musik-Streaming-Portale wie Spotify oder Soundcloud, Fotobloging auf Flickr und natürlich Videoplattformen wie YouTube und Co. Nicht nur für dubiose Mega-Anbieter gilt, jedes kunstverbreitende Portal kämpft mit urheberrechtlichen Problemen.

Das deutsche Urheberrechtsgesetz behält dem Urheber einer geistigen Schöpfung jegliche Rechte an seinem Werk vor. Der zeitliche Fortfall des Urheberrechts tritt laut § 64 UrhG erst siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers ein. Dann wird das Werk gemeinfrei, sofern keine Ansprüche Dritter bestehen. Dass dieses rechtliche Verständnis angesichts der rasanten Entwicklung des Internets schlichtweg nicht mehr umzusetzen ist, haben die Nutzer schon vor Jahren erkannt. Neben der Open-Source-Bewegung, die ihre Werke quelloffen in die Gemeinfreiheit übergibt, haben sich die Creative-Commons-Lizenzen vor allem unter Kunstschaffenden etabliert. Creative Commons verfolgt das Motto „Some Rights Reserved“ und bietet nach einem Baukastenprinzip eine breite Palette von Lizenzen für das eigene Werk, die von bloßer Namensnennung bis hin zum „All Rights Reserved“ des Urheberrechts reichen.2 Auch die Wikimedia Foundation, die Projekte wie Wikipedia betreibt, nutzt Creative Commons zur Lizenzierung ihrer textuellen und medialen Inhalte.

Trotz Open Source und Creative Commons bleiben die rechtlichen Dauerfragen im Web 2.0: Wo endet das Urheberrecht? Wo beginnt das Plagiat? Wie weit darf ich fremde Werke verbreiten? Wie weit konsumieren? Im Grabenkampf zwischen Schaffenden bzw. ihren rechtlichen Vertretern auf der einen und den Anbietern und Konsumenten auf der anderen Seite muss ein Kompromiss gefunden werden, der für beide Gruppen fair und nützlich ist. Nur so kann das Web 2.0 langfristig rechtliche Stabilität erreichen.

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